H. Padberg – Das ganze Interview

Henning Padberg ist zu einem Sommerinterview geladen worden. In der Badezeitung und dem Ostfriesischen Kurier wurden Auszüge daraus veröffentlicht. Hier nun das ganze Interview:

Wenn man zurückblickend auf das Jahr 2021 schaut war zum gleichen Zeitpunkt immer noch Corona ein dominantes Thema in der Öffentlichkeit. Auf diversen Straßen im Innenstadtbereich von Norderney wurde sogar wieder die Maskenpflicht angeordnet. Wie beurteilen Sie die Situation gut ein Jahr später?

Corona hat und wird unser Leben nachhaltig bestimmen. Rückblickend sind die von uns kritisierten Einschränkungen und Verordnungen in der Coronahochphase deutlich über das Ziel hinaus geschossen. Für uns als liberale Partei war es zum Beispiel unverständlich und unerträglich, alle Norderneyer 2020 für 14 Tage in Inselquarantäne zu setzen (Verbot der Überfahrt). Dies ist glücklicherweise vorbei und wird wohl so auch nicht mehr passieren. Wirtschaftlich sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen.  Allerdings bleiben Krisen wie Corona eine große Herausforderung für die insulare Gesellschaft – die aktuellen Probleme aufgrund des  Kriegs in der Ukraine zeigen dies eindrucksvoll 2019 war das vorerst letzte Jahr einer langen wirtschaftlichen Hochphase mit jährlichen Wachstumsraten und Wohlstand für alle. Die Zukunft sieht nicht ganz so rosig aus. Konzepte und Entscheidungen, die bis Dezember 2019 entwickelt und getroffen wurden müssen überdacht werden und sich aktuellen Anforderungen anpassen. Corona, Inflation, Krieg, Rohstoffverknappung, Rezession etc.  haben viel geändert, diese Zeitenwende erfordert ein Umdenken in allen Bereichen.

Viele Probleme, die schon vor den Wahlen im Fokus gestanden haben, sind immer noch aktuell und noch ungelöst. Wie beurteilen Sie die Entwicklung und was wollen Sie in den kommenden 12 Monaten unbedingt anpacken? Die Diskussion ist wahrlich nicht neu, aber eine Lösung ist nicht in Sicht? Wie wollen Sie als Partei zu bezahlbaren Wohnraum auf Norderney schaffen und den explodierenden Kosten für Miete und Energie Einhalt gebieten?

Die meisten Probleme der Insel haben damit zu tun, dass wir als Politiker in den Gremien zwar viel beschliessen, aber es dann in der Umsetzung – wie aktuell beim Lebensraumkonzept – aus unserer Sicht einfach zu lange dauert. Grundsätzlich kommt es darauf an ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaft, Sozialem und Natur zu bekommen. Im politischen Diskurs geht es darum, nicht nur seinen Bereich, sondern das Gesamte zu betrachten – das ist unser Anliegen. Bezahlbaren Wohnraum schaffen – das ist eine Forderung geworden, die sich jeder auf die Fahne schreibt. Die schlichte Parole wird der Aufgabe, ein ausgeglichenes soziales Miteinander auf der Insel zu schaffen, nicht annähernd gerecht. Wir brauchen Wohnraum und Wohnformen für unterschiedlichste Ansprüche.

Dies bedeutet:

  • Wohnraum für Mieter mit geringem und mittlerem Einkommen, die diesen Norderneyern eine sichere Zukunft bietet
  • Wohnraum / Wohnformen für Singles, hier spielt der Preis eine sehr wichtige Rolle
  • Wohnraum / Eigentum für junge Familien, die Eigentum schaffen wollen – hier geht es um langfristige Lebensperspektiven
  • Wohnraum für Senioren – wir wollen unseren Senioren ihren Wohnraum möglichst erhalten und mehr seniorengerechtes Wohnen schaffen
  • Wohnraum für Saisonpersonal in Arbeitnehmerunterkünften, die andere Wohnarten nicht stört
  • Alles dies ist auch über das finanzielle Engagement der öffentlichen Hand hinaus möglich, wenn die Baugesetzgebung entsprechend angepasst wird bzw. Flächen hierfür bereitgestellt werden. Es muss nicht so sein, dass städtische Betriebe das Monopol im Mietwohnungsbereich besitzen. Wir sollten alle Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, nutzen. Siehe Borkum, dort ist die Lage wesentlich schlimmer*

Das mögliche Sterne-Hotel war in den letzten Monaten immer wieder ein Thema in der Öffentlichkeit. Nun hat das Gericht den Antrag der Bürgerinitiative als unzulässig abgelehnt. 

Wir haben uns immer und deutlich zu den Verpflichtungen, die in Bezug auf die Kommunalisierung und das 5 Sterne Hotel entstanden sind bekannt.
Schon der Ablauf der ersten Ausschreibungsrunde war mehr als enttäuschend, mit fadenscheiniger Begründung wurden Zusagen der Bietergemeinschaft nicht eingehalten und brachten das Projekt letztlich zum Scheitern. Gemeinsam mit kompetenten juristischen Beratern, der Verwaltung und den anderen Parteien und Ratsmitgliedern haben wir versucht, eine transparente Ausschreibung zu initiieren und durchzuführen.
Bei der jetzigen Ausschreibung scheinen die Probleme wieder so loszugehen wie schon gehabt. Nun ist es höchste Zeit um zu Handeln! Aufgefordert ist die Verwaltung. Weiteres Zögern und Abwarten kann nicht akzeptiert werden.

Wirtschaftlich und ökologisch ausbalancierte Kommunalpolitik in Einklang zu bringen ist mitunter schwierig und führt zu Reibungsverlusten. Wie soll es aus Ihrer Perspektive nun weiter gehen?

Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern ganz viel dazwischen! Würde man den Interessenvertretern der Umweltschutzverbände die alleinige Entscheidungshoheit überlassen, würde wohl der Tourismus und damit unsere Existenzgrundlage in dieser Form nicht mehr da sein. Sehr deutlich wurde dies in der Auseinandersetzung mit den Verbänden und der Nationalparkverwaltung wegen der Erweiterungszone Biosphärenreservat. Mittlerweile sind  sehr viele Nachbargemeinden dem Beispiel Norderneys gefolgt und haben dagegen gestimmt, einige nahmen sogar im Nachhinein den Beschluss zum Beitritt zurück. Hier zeigt sich, dass man nicht blind einer Richtung folgen sondern individuell Entscheidungen treffen sollte. Um Menschen die Möglichkeit zu geben, die Natur zu erleben ist es ganz ohne Frage nötig, den Zugang zu den Stränden und zur Natur in Zukunft zu verbessern und weiter auszubauen. So muss z. B. der Zuckerpad  verbreitert werden, damit ihn Fahrräder und Fußgänger ordentlich nutzen können! Leider wehren sich sowohl die Nationalparkverwaltung als auch die Naturschutzverbände dagegen. Es wurden eine Vielzahl umweltverträglicher Möglichkeiten aufgezeigt und dennoch: es bleibt bei völlig unzureichenden Wegen. Das Erlebnis “Natur” wird den Gästen vermiest  und somit unsere Zukunft als Tourismusstandort gefährdet.

Der scheidende KGS-Direktor Jürgen Birnbaum hat es als einen seiner Wünsche formuliert. Immer weniger Schüler bilden die Eingangsklasse fünf auf Norderney? Mit welchen Angeboten wollen Sie junge Familien nach Norderney locken, um hier heimisch zu werden?

Wir tun alles, damit es auf Norderney attraktiv ist zu leben. Viele Fehler in der Familienpolitik sind allerdings nicht in einer Kommune zu lösen. Deutschland ist nicht sehr kinder- familienfreundlich! Kinderbetreuung – Krippe, Kindergarten, Ganztagsschule -, Einkommensmöglichkeit Alleinerziehender, Förderung von Familien – in anderen Ländern der EU klappt das viel besser. Familienpolitik in Deutschland ist auf dem Stand der 60er Jahre. Um mehr Familien für Norderney zu gewinnen müssen wir neben Wohnmöglichkeiten umfassende Betreuungsmöglichkeiten garantieren, anders geht es nicht.

Auch der Erhalt des Norderneyer Krankenhauses steht immer wieder auf der Tagesordnung. Die Zentralklinik in Georgsheil wird wohl kommen, kann da ein kleines Inselkrankenhaus überhaupt bestehen?

Unser politisches Ziel bleibt, das Inselkrankenhaus zu erhalten. Vielleicht auch in einer anderen, verkleinerten Form als zur Zeit. Mindestens muss eine medizinische Notfallversorgung mit einer kleinen Bettenkapazität vorgehalten werden. Die aktuellen Rahmenbedingungen machen dies aber tatsächlich zunehmend schwieriger.

Der Meeresspiegel soll nach diversen Berechnung aus der Wissenschaft noch in diesem Jahrhundert bis zu einem Meter ansteigen. Hat Norderney genügend für seine Schutzmaßnahmen getan?

Ja! Wichtig ist die Sicherung des östlichen und südlichen Inselteils. Die Sicherung des Flughafens und somit eine Erneuerung des Grohdepolderdeichs hat eine hohe Priorität für uns.

Das Ehrenamt ist auch auf einer Insel wie Norderney unverzichtbar. Wie kann man das Ehrenamt attraktiver machen und so fördern, dass die Bereitschaft steigt, sich ehrenamtlich für die Stadt zu engagieren?

Wir möchten für die Zukunft in Absprache mit den anderen Parteien ein höheres Engagement von Jugendlichen fördern. Dies ist nur möglich, wenn wir Verantwortung an sie abgegeben, so dass ihre Entscheidungen relevant sind und auch. Geld dafür zur Verfügung steht. Eine Zusammenarbeit mit der KGS ist dafür nötig und wird von uns angestrebt

Im Herbst stehen schon wieder Wahlen auf dem Terminkalender. Diesmal wird der Niedersächsische Landtag in Hannover neu gewählt. Was erwarten Sie als Partei von einer zukünftigen Landesregierung für Norderney?

Die Landesregierung in Hannover ist ziemlich weit entfernt von der Ostfriesischen Küste. Corona hat allerdings gezeigt, daß in Hannover der Dienstleistungsbereich und die speziellen Problematiken an der Küste erkannt werden. Bedroht werden wir durch die extreme Situation bei der Beschaffung von Arbeitskräften, Facharbeiter und alle Problematiken die dazu gehören. Hier erhoffen wir uns von einer neuen Landesregierung Hilfen, Programme und Unterstützung.


*PM – BGM – Borkum 22.6.22:

Liebe Borkumerinnen, liebe Borkumer,

liebe Wohnungsbesitzerinnen und Wohnungsbesitzer, das Thema Wohnraum auf unserer Insel ist eines der drängendsten Probleme. Hier Abhilfe zu schaffen, ist eine große Aufgabe und mit erheblichem Zeit- und Geldaufwand verbunden. Die allgemeine Lage führt dazu, dass genehmigte Projekte sich verzögern und kurzfristig keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt bringen. Der fehlende Wohnraum für Fachkräfte bedeutet, dass in einigen Bereichen die Versorgung nicht mehr im notwendigen Umfang sichergestellt werden kann. Neben der Betreuung unserer Gäste im touristischen Sektor betrifft dies auch Teile des Handwerks und die häusliche Pflege, die für die Grundversorgung der Pflegebedürftigen und die Aufrechterhaltung der notwendigen Infrastruktur in den Betrieben und Wohnungen unverzichtbar sind.An der einen oder anderen Stelle gibt es vielleicht Wohnraum, der aus verschiedensten Gründen zurzeit nicht genutzt wird. An dieser Stelle habe ich daher die Bitte zu prüfen, ob dieser Wohnraum nicht doch, und sei es zeitweise, vermietet werden kann. Jede Wohnung hilft! Die Stadt Borkum hat eine Stelle eingerichtet, bei der freier Wohnraum gemeldet werden kann. Dadurch kann auf kurzem Wege der Kontakt zwischen Angebot und Bedarf hergestellt werden. Die Stadt wird dabei nur vermitteln, ein Mietvertrag wird allein zwischen Mieter und Vermieter geschlossen. Freie Wohnungen und Bedarfe für Fachkräfte können über die Telefonnummern 04922 303-218 oder 303-236 sowie über die Adresse stadt@borkum.de gemeldet werden. Die Angaben werden vertraulich behandelt.

Vielen Dank und Allerbest!

Jürgen Akkermann

-Bürgermeister-

Borkum 22.6.2022

 


8. August 2022

Alle Beiträge Drucken